Der Zeitwandler Seite 3
Der Zeitwandler

© Dark Wulf

Deshalb war er Komponist geworden. Was ihn hierbei erwarten würde, konnte er sich jetzt noch nicht ausmalen, aber er wusste, dass es viel Zeit und Arbeit kosten würde den Jungen zu versorgen, falls Fenrich nicht doch noch seine Mutter finden würde. Nur nichts überstürzen dachte er sich und spielte dabei beiläufig mit einer der Ecken der weißen Tischdecke.

,, Wenn du möchtest kannst du vorerst hier bleiben, bis uns eine Lösung für dein Problem eingefallen ist. Morgen werde ich versuchen in der Stadt nach deiner Familie oder deiner Mutter zu fragen und zu suchen. Aber wir sollten dich zu einem Arzt bringen, um dich untersuchen zu lassen. ,,Was ist ein Ar ?´´ fragte Jarus Fenrich mit großen Augen. Weimar hatte es aufgegeben mit dem Kopf zu schütteln, erklärte aber Crai den Begriff.

Bis zum späten Abend saßen die beiden da und unterhielten sich miteinander bis Fenrich zu müde war. Offensichtlich war dieser Junge hyperaktiv und nicht ansatzweise müde. Jedoch schaffte es Weimar den Jungen dazu zu bewegen ins Bett zu gehen, nachdem er ihm erklärt hatte, was es mit einem solchem auf sich hatte. Eine Weile lag Jarus Crai noch still da und starrte nachdenklich zur Decke hinauf bis er schließlich einschlief, nachdem er keinen klaren Gedanken fassen konnte.

Am nächsten Morgen verbrachte Fenrich Weimar damit Jarus all die Dinge bei zu bringen, die er nicht wusste und ihm Dinge zu zeigen die er nicht kannte. Erstaunt aber auch mit seinen Ängsten gequält klammerte sich Jarus fest an dem Gedanken seine Mutter wieder zu treffen und sich mit ihr sich einer anderen Sippe an zu schließen. Er hoffte inniglich, das seine Mutter noch lebte und die Sippe sie und ihn nicht weiter bedrängen würde.

Sie schlenderten durch die Gassen der großen Siedlung und plötzlich beschleunigte Weimar seinen Schritt. So dass Crai kaum hinterher kam . Dann hörte er von rechts tuscheln und das gequälte röcheln eines Mannes. Bevor er in die Richtung dieser Geräusche blicken konnte, hielt Weimar dem Jungen die Augen zu und flüsterte >> Da gibt es nichts was du sehen solltest ! <<

Langsam nickte Jarus nervös und folgte dem hageren Komponisten schnellen Fusses. Einige Zeit später erreichten sie einen weiteren großen Platz auf dem ein größeres, prunkvolles Gebäude einsam da stand und vor dem sich Menschenmassen tummelten. Einige Personen waren auf dem Weg dieses zu betreten, andere standen davor und führten Gespräche, während sie ihre Weingläser aneinander klirren ließen.

Jarus und Fenrich jedoch näherten sich einem der Seiteneingänge vor dem eine Wache postiert war, der Weimar ein Dokument vorzeigte. Nickend ließ diese sie passieren und kurze Zeit später befanden sie sich in einem Raum, der mehrere Kommoden und Standspiegel enthielt. An den Kleiderhaken baumelte bunte Perücken und auf einem Stuhl in der Ecke lag noch eine Kiste, die geschlossen war und ein Haarkamm, nach dem Weimar griff und sich die Haare nach hinten kämmte.

>> Ich werde jetzt zur Arbeit gehen und du kannst hier auf mich warten Jarus. << erläuterte Fenrich, während er sich umzog. >> Wann kommst du wieder ? << >> In einer guten Stunde werde ich dich wieder aufsuchen. << >> Dann werde ich warten. << seufzte Jarus und sah dabei sein depremiertes Gesicht in einem der Spiegel.

Es waren wenige Minuten vergangen, als Crai leise Töne hinter der linken Wand wahrnahm. Neugierig lehnte er sein Ohr gegen das Mauerwerk und konnte die sanften, ansteigenden Rhytmen hören. Begierig horchte er bis die Musik verstummte und er ein jubelndes Publikum, das hinter der Wand applaudierte in sein Hörfeld kam. Kurze Zeit später stieg die Musik wieder an und es waren laute paukenschläge zu hören, die gemeinsam mit den Streichern ein Wettstreit abhielten.

Trompeten beendeten das Concherto und in einem anderen großen Raum verbeugte sich gerade Fenrich Weimar vor versammelter Menge und die Musiker taten es ihm nach kurzem abwarten gleich. Inwischen saß Crai auf dem mit rotem Teppich augelgtem Boden und spielte mit einer orangenen Perücke, die er gefunden hatte. Dann öffnete sich die Tür und Weimar trat in das Umkleidezimmer.

Kurz blickte Jarus dabei auf und widmete sich dann wieder dem Haarteil. >> Bist du immer noch traurig ? << Crai schien unberührt und blieb still. >> Auf dem Weg hierher haben wir … Sihe nicht finden können aber wir werden gleich weiter nach ihr suchen ! << sagte Fenrich entschieden. >> Meinst du das wir sie finden ? << antwortete Jarus in einem Flüsterton. Weimar wollte jedoch diese Frage vorerst nicht beantworten, da er sich selbst ausmalen konnte, dass die Wahrscheinlichkeit für den Erfolg ihrer Suche nicht sehr hoch war.

Zwischenzeitlich hatten sie mehrere Stunden erfolglos damit verbracht Passanten oder Stadtwachen zu befragen, ob sie Sihe Beja gesehen hatten oder gar die Sippe der sie beide angehört hatten. Dabei vergassen sie nicht Personenbeschreibungen zu geben und auch einige Orte zu beschreiben, die Jarus bekannt waren. Selbst bei dem Obersten der Stadtwache waren sie gewesen, der ihnen versprach sich bei ihnen zu melden.

Auch waren sie an ein paar Bettler geraten, die ihnen keine Informationen geben konnten, sondern Weimar noch Geld kosteten. Es war früher Abend und sie waren an Fenrichs Haustür angekommen als sich Weimar an Jarus wandte. >> Gib nicht auf Jarus Crai. Ich werde versuchen in der Bibliothek und im Stadtarchiv nach Informationen zu suchen << Fenrich wischte sich mit seinem Ärmel über die schweißnasse Stirn. Crai sagte nichts und in seinem Inneren fühlte er eine stechende Leere, die sich langsam mit seiner Trauer zu vermischen drohte.

Im Wohnzimmer angekommen ließen sie sich nieder und Weimar machte sich auf den Weg in die Küche um etwas zu essen zu zubereiten. Gerade fing er an das Brot zu schneiden, als er aus dem Wohnzimmer ein dumpfes Geräusch hörte. Verwundert legte er das Brot auf die hölzerne Arbeitsplatte zurück und ging zurück zum Wohnzimmer.

Dort sah er, das Jarus nicht mehr auf dem Stuhl saß und dass das Fenster geöffnet worden war. Als er hinaus sah, lag der Hinterhof leer da. Bedächtig ging er hinaus und blickte sich nach allen Seiten um, konnte jedoch Crai nicht finden. Er rief nach ihm, bekam jedoch keine Antwort. Langsam stieg eine dunkle Ahnung in ihm auf. Er musste fortgelaufen sein.

Schnell blickte er über die Mauer in den Garten seines Nachbarn, sah jedoch Jarus auch hier nicht. Sogleich entschied er sich bei den Nachbarn zu erkundigen, wohin der Kleine gelaufen sein mochte. Er hoffte ihn noch vor Einbruch der Dunkelheit zu finden.

Seine Lungen brannten und er stand an einem schmalen Pfad der in die Ferne führte in der er einige Lichter von den umgebenden Dörfern wahrnehmen konnte. Es war Dunkel geworden und der Weg kaum noch zu erkennen. Dennoch trieb ihn irgendetwas in seinem Inneren voran und schon bald kam er ein einem kleinen Waldstück vorbei aus dessen etwaiger Mitte man leisen Eulenrufen lauschen konnte. Fasziniert von diesen schlenderte er abseits des Weges bis zu einem Baum dessen mächtiger Stamm in der Erde ruhte.

Ebenso die Äste waren stark ausgeprägt und verzweigten sich in einem schier endlosen Astwerk. Der Wind, der durch die Blätter pfiff, entlockte der Baumkrone leise, knackende Laute. Er kniff die Augen zusammen und versuchte die Tiere, die er nicht kannte, zu finden. Nach einer Weile fand er eine weiße Eule im Baumwipfel da hocken und wieder fing diese an in die Nacht hinaus zu rufen. Später ging der kleine Junge weiter an dem Baum vorbei, tiefer in das Waldstück hinein, durch das ein grober Trampelpfad führte.

Diesen lief er entlang und wischte dabei immer wieder ein paar Äste bei Seite. Ein dumpfer Schlag kam von rechts und ließ ein paar Vögel aufschrecken, die sich schnell in Sicherheit brachten und dies mit lauten Flügelschlägen taten. Jarus erschrak und warf sich in einen der angrenzenden Büsche, während seine Blicke die Umgebung absuchten. Er ging langsam in die Hocke und griff sich einen der dickeren morschen Äste, den er am Boden fand.

Crai horchte in die Nacht hinein, konnte jedoch keine verdächtigen Geräusche ausmachen. Nach einer Weile schlich er aus dem Gebüsch und duckte sich hinter einer Baumreihe. Die Rinde des Baumes an dem er lehnte, war von dichtem Moos überwuchert und dieser glitschige Belag war unangenehm kalt. Noch immer konnte er keine Regung in der Nacht erkennen und auch war kein weiterer Laut zu hören.

Er setzte seinen Weg fort, blieb jedoch immer noch wachsam und hielt seine Waffe fest umschlossen. Leise knackten dürre Äste unter seinen fellenen Überziehern und die Luft roch feucht. Sein Atem war zu kleinen Wolken geworden, die sich in der Nacht verliefen. Dann hinter einem Baum in der Ferne eine Bewegung. Crai hielt inne und schärfte seine Sinne.

Sekunden später erspähte er ein kleines Tier mit rötlichem Fell, das ihm unbekannt war. So entschloss er sich vorerst abzuwarten. Das Tier erblickte Jarus kurz, knurrte und verschwand dann wieder im dichter werdenden Unterholz. Nach ein paar Minuten wagte sich Jarus weiter voran, während es wieder begann zu schneien. Kurz darauf fielen dichte, große Flocken herab, die sich in seinen Haaren verfingen.

Seine Fellmütze hatte er im Gästezimmer Weimars vergessen. Langsam wurde das Gelände abschüssig und der Boden war hier von Löchern durchzogen, die meist von Graß und Geäst überwuchert waren. An einem kleinen Loch machte er halt, nachdem er entdeckt hatte, dass es diffus daraus leuchtete. Vorsichtig kniete er nieder und stocherte in diesem herum, was jedoch keine Ergebnisse brachte.

Kurz darauf nahm er seine Hand zur Hilfe und erfasste einen groben Klumpen, der kalt zwischen seinen Fingern kleben blieb. Es handelte sich um feuchten Matsch in dem etwas eingebettet war. Vorsichtig nahm er ein wenig von dem frisch gefallenem Schnee und säuberte das eigebettete etwas. Es war nur wenig Zeit vergangen, als der Boden unter seinen Füssen plötzlich nachgab und es ihn in die dunkle Tiefe riss.

Ein harter Aufprall ließ seine Beine schmerzen und seine Hände hatten keinen punkt gefunden, an dem sie hätten den Absturz dämpfen können. Dennoch hatte er nochmal Glück gehabt, den er war auf etwas weichem gelandet, das sich kratzig anfühlte. Von oben schien schwaches Mondlicht hinab und er stellte fest, dass er gute zweieinhalb Meter tief gestürzt sein mochte.

Der Ort an dem er sich jetzt befand mochte eine kleine Höhle sein die er jedoch kaum einsehen konnte. Ein paar leuchtende Punkte die vor seiner Nase umherschwirrten, verschwanden gerade in dieser Dunkelheit. Tastend berührte er die schroffen Wände und versuchte auf zu stehen, was ihm jedoch Schmerzen bereitete.

Auch seine Hände hatten Schürfwunden davongetragen und brannten leicht. Ängstlich kam er langsam zum stehen und jeder seiner Schritte wurde zur Qual. Im fahlen Mondschein sah er einen stacheliges Büschlein, das sich dort halb vertrocknet sich in die felsige Wand einbettete und nun leicht ramponiert aussah. An den Wänden abstützend gelangte er an eine schmale Felsspalte, die von ihm weg in das Gestein führte und ihm gerade noch so Platz bot sich hindurch zu zwängen.

Tropfend liefen hier kleine Rinnsäle von den Felsen hinab und durchnässten diesen zum Teil. Inzwischen konnte er kaum die Hand vor Augen sehen und schwache Flügelschläge drangen aus der Finsternis an seine Ohren. Piepsende Geräusche mischten sich nun dazwischen und er musste sich anstrengen sein Gleichgewicht zu bewahren. Es wurde allmälig rutschiger und durch seine dünnen Sohlen konnte er jede Unebenheit des Boden nachempfinden.

Was dort vor ihm lag konnte er nur erahnen und die feuchte, kalte Luft wurde etwas stickiger. Ob hier schon einmal jemand gewesen war ? Würde es einen Ausgang geben ? Etwas streifte sein rechtes Ohr und verschwand dann wieder. Es hatte ihm einen kalten Schauer über den Rücken gejagd und er hatte leise aufgeschrien. Was war es gewesen ? Wenn er doch nur eine Fackel gehabt hätte.

So aber musste er sich durch die andauernde Dunkelheit kämpfen die ihre Geheimnisse noch immer nicht gelüftet hatte. Würde sie das je tun ? Wieder musste er an seine Mutter denken, dessen Schicksal er nicht kannte. Würde er jemals mit ihr wieder über die große Wiese laufen, wo sie so oft mit ihm gespielt hatte ? Hätte der Säbelzahntiger nicht ein Mammut reißen können um seinen Vater zu verschonen ?

Wie oft würde er sich diese Fragen noch stellen müssen und würde er jemals eine Antwort auf ein paar davon bekommen ? Weimar hatte ihn für kurze Zeit bei sich aufgenommen, doch hatten sie vergebens versucht Antworten zu finden, besonders wie er überhaupt hierher gelangt war.

Er musste sich gewunndert haben, was in dem kleinen Jungen vorgegangen war, den er noch nie zuvor in seinem Leben gesehen hatte. Jarus dachte bei sich, dass ihm dieser Fenrich niemals ein guter Freund werden könnte, weil sie zu verschieden waren. Es hatte sich alles verändert und nun war er allein. Allein gelassen in einer ihm völlig fremden Welt, die für ihn kein zu Hause bot und nur Fragen aufwarf.

Wohin sollte er gehen ? An wen sollte er sich wenden ? Eine Wand vesperrte ihm den Weg. Er lief die Wände ab. Eine weitere Höhle ohne Abzweigung und nur ein Zugang, durch den er sie betreten hatte. Ernüchtert fand er parallelen zu seiner momentanen Situation. Tränen rannen ihm über die Wangen und nach einer Weile brannten seine Augen.

Er wollte das Licht finden, das Licht des Mondes und das Licht seines Lebens. Müde warf er sich gegen eine der Wände und sah nach oben, konnte jedoch kein Loch erkennen oder eine Möglichkeit hier nach draußen zu gelangen. So drehte er wieder um und arbeitete sich wieder zu dem Ort vor, an dem der rettende Busch stand und das Mondlicht hineinfiel. Jetzt war es anders als zuvor. Jetzt blieb es auch hier Stockdunkel und nur mit Mühe konnte er den Rand des Durchlasses erblicken.

Tief atmete er ein und griff nach den hervorstehenden Steinen in der Felswand um sich daran nach oben zu ziehen. Mit letzter Kraft erreichte er den Rand und eine Hand umklammerte sein rechtes Handgelenk um ihn empor zu ziehen. Da war sie wieder, die Frau, die er einige Zeit zuvor in dieser fremden Welt getroffen hatte und wieder fragte sie >> Kann ich dir helfen ? <<

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